Pferdemama und Kleinkindmama - Wie bringe ich Pferd und Kind unter einen Hut?
Mama sein ist ein Vollzeitjob. Ein eigenes Pferd ist mindestens ein Teilzeitjob ohne Urlaub. Klar, dass diese beiden miteinander konkurrieren oder?
Und oft ist es doch so, dass das Pferd zuerst da war. Da gab es unendlich viel Zeit für schöne Ausritte und das Sattelzeug wurde regelmäßig geputzt. Und dann kam da dieser kleine süße Zwerg, der dich doch eigentlich noch viel mehr braucht. Nun sind es Pferd und Kind, die versorgt werden wollen. Dann wird der Sattel eben später geputzt. Dann fällt der Ausritt eben kürzer aus. Spürst du sie schon, die leisen Schuldgefühle? Die eine Stimme im Kopf die dir sagt: "Früher hättest du viel gründlicher geputzt. Früher wäre es egal gewesen, ob es noch eine halbe Stunde länger dauert im Stall."
Das heißt nicht, dass das Tier plötzlich weniger wichtig ist. Nur sind da auf einmal zwei Lebewesen, die auf dich angewiesen sind. Und dabei die richtige Balance zu finden, ist gar nicht so leicht, finde ich.
Schnell wurde mir klar, dass es ein ganz schöner Spagat war zwischen Pferd und Kind, zwischen "das Pferd weiterhin angemessen versorgen und alles zu geben für meine kleine Tochter"
Als ich meine Tochter bekam, hatte ich mein Pferd zu diesem Zeitpunkt bereits 7 Jahre. Es stand in einem privaten Offenstall, bei dem wir auch selbst fürs Misten zuständig waren. . In einem 2-Stunden-Stillfenster mit Winterbaby mein Tier zu putzen, ausreichend zu bewegen, die Box zu misten und rechtzeitig wieder zu Hause zu sein (Fahrzeit ca. 30 Minuten) war so gut wie unmöglich. Wenn ich heute auf diese Anfangszeit zurückblicke, bin ich ziemlich stolz. Okay, den ein oder anderen Abstrich musste auch ich machen, doch im Großen und Ganzen haben wir das gerockt.
Die Routine, die ich mir dabei erarbeitet habe und die Dinge, die sehr geholfen haben, möchte ich gerne an dich weitergeben.
Was mir am allermeisten geholfen hat:
- eine oder mehrere zuverlässige Personen, die a) mit dir in den Stall kommen und dein Baby beschäftigen, während du die Stallarbeit machst (damit zu z. B. zwischendrin stillen kannst) oder b) deine Anweisungen zur Stallarbeit befolgen, während du dein Baby stillst/herumträgst/etc. (es geht auch ohne Unterstützung, aber das ist wesentlich anstrengender)
- gute Ausrüstung und Planung
- und vielleicht jemand, der dir sagt: "Du machst das Bestmögliche und das reicht aus!"
Du kannst dir während der Schwangerschaft bereits einen Plan machen und bspw. eine Reitbeteiligung finden, Betreuungspersonen organisieren und dir überlegen, wie du dein Kind mit in den Stall nehmen kannst. Meine größte Herausforderung war die Jahreszeit. Ich hatte mir bereits ein Tragetuch (Didymos) und eine dicke Jacke mit Babyeinsatz besorgt - es war daher kein Problem die Kleine warm und zufrieden bei mir zu tragen, während ich mein Pferd mistete, putzte oder longierte. Auch das Stillfenster einzuhalten gelang so leichter. ABER: Ein Offenstall im Nirgendwo ohne Toilette machte das Wickeln im Winter unmöglich. (Ich sagte ja, einige Abstriche mussten sein)
Das Tragetuch von Didymos kann ich nur empfehlen, es hat mir besonders mit Pferd und Kind den Alltag sehr erleichtert.
Wir haben das Tragetuch "Regenbogen" in Größe 6 und lieben es immer noch.
Als meine Tochter größer wurde, waren für uns eine zweite Garnitur Kleider und etwas Gelassenheit was den Umgang mit Dreck anging unverzichtbar. Sie hatte einen zweiten Matschanzug und mit dem konnte sie nach Herzenslust vor und in der Box herumkrabbeln.
Alternativ empfehle ich dir, dir einen günstigen/gebrauchten Laufstall nur für den Stall zu besorgen. Wir wollten ein Modell, das sich schnell auf- und zusammenklappen lies und platzsparend zu verstauen war. (Link zur Spielküche
Mit diesen kleinen Helfern haben wir die ersten 1,5 Jahre wirklich gut geschafft. Als meine Tochter dann stehen und laufen konnte, besorgte ich uns eine Matschküche von Lidl, eine kleine Kinderschubkarre und mein Mann fertigte eine Mistgabel für Kinder.
Ich stellte es meinem Kind immer frei, ob sie beim Misten helfen wollte, oder lieber mit ihrer Matschküche spielte. So konnte ich mich entspannt um mein Pferd kümmern und sie war glücklich.
Mein ganz persönliches Fazit:
Wenn ich heute überlege, was für unsere Tochter das Highlight an unseren Stalltagen war, dann ganz sicherlich die Fahrten im Schubkarren, wenn sie auf einer Ladung frischem (oder eben nicht so frischem) Stroh herumkutschiert wurde. Außerdem konnte sie mit 3 Jahren bereits misten, frisch einstreuen, füttern und sie und "ihr Pferd" waren ein Herz und eine Seele.
Was ich dir damit sagen will? Auch wenn du das Gefühl hast, dich zwischen deinem Pferd und deinem Kind entscheiden zu müssen und auch wenn jedes Tier und jedes Kind anders ist, gibt es sicher einen Weg für euch. Ihr müsst nur den Mut haben, diesen zu finden.
"Nur ein Pferd"
Von Zeit zu Zeit sagen Leute zu mir "Wach auf, es ist nur ein Pferd!" oder "Das ist aber viel Geld für "nur ein Pferd". Sie verstehen nicht warum man diese Wege zurück legt, soviel Zeit investiert oder die Kosten, die "nur ein Pferd" mit sich bringt. Manche meiner stolzesten Momente verdanke ich "nur einem Pferd". Viele Stunden sind vergangen in denen meine einzige Gesellschaft "nur ein Pferd" war, aber ich fühlte mich nicht ein einziges Mal missachtet. Einige meiner traurigsten Momente wurden durch "nur ein Pferd" hervorgerufen und an dunklen Tagen war es "nur ein Pferd" dessen freundliche Berührung mir Wohlbefinden und die Stärke brachte, den Tag zu überstehen. Falls du auch denkst es ist "nur ein Pferd" dann wirst du vermutlich auch Sätze kennen wie "nur ein Freund", "nur ein Sonnenaufgang" oder "nur ein Versprechen". Es ist "nur ein Pferd", welches das Wesentliche aus Freundschaft, Vertrauen und purer unverfälschter Freude in mein Leben bringt. "Nur ein Pferd" ruft in mir das Mitleid und die Geduld hervor, die mich zu einem besseren Menschen macht. "Nur ein Pferd" bringt mich dazu früh aufzustehen, lange Spaziergänge zu machen und sehnsüchtig in die Zukunft zu blicken. Deswegen ist es für mich und Menschen wie ich es bin eben nicht "nur ein Pferd", sondern eine Verkörperung aller Hoffnungen und Träume für die Zukunft , geliebter Erinnerungen und der pure Genuss der Gegenwart. "Nur ein Pferd" zeigt, was gut an mir ist und lenkt meine Gedanken ab. Ich hoffe die anderen Menschen können eines Tages verstehen, dass es nicht "nur ein Pferd" ist, sondern etwas, dass mir Menschlichkeit verleiht und mich zu mehr macht als "nur eine Frau" . Wenn du nächstes Mal den Satz "nur ein Pferd" hörst dann lächle, weil SIE es "nur" nicht verstehen. - Gedicht von einem unbekannten Autor -